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Februar
2024

Grüne Energien: Ausbeutung für die Energiewende?

Der Bedarf an Energie steigt immer mehr, denn sie wird in allen Bereichen des Lebens benötigt. Doch ein Großteil der Energie wird aus fossilen Energieträgern gewonnen, welche die Hauptursache für die Klimakatastrophe sind. Daher dreht sich viel um die Frage, welche Alternativen wir haben, um mit der Nachfrage an Energie umzugehen. Häufig ist der Politik von Wasserstoff die Rede. Doch ist Wasserstoff die Lösung oder gibt es bessere Alternativen?

Die Problematik auf einen Blick

 

Wieso brauchen wir so viel Energie?

► Energie wird überall benötigt, bei der Produktion, für Mobilität und Transport, zum Heizen und das sowohl in der Wirtschaft, durch den Staat als auch in privaten Haushalten. Und solange der gesellschaftliche Anspruch besteht, immer mehr produzieren zu wollen, mehr konsumieren zu wollen, wird der Bedarf an Energie genauso steigen.

Woher kommt die Energie?

► Diese Energie wird überwiegend durch fossile Energieträger gewonnen, die im Jahr 2022 noch immer etwa 82 Prozent des globalen Energieverbrauchs ausmachten. Doch fossile Energieträger sind die Hauptursache für die Klimakatastrophe, denn um Energie aus ihnen zu gewinnen werden sie verbrannt und das setzt CO2 frei. Weiterhin sind sie eng verbunden mit Naturzerstörung vor Ort – insbesondere im Globalen Süden.

Welche Folgen sind damit verbunden?

► Menschen in den betroffenen Regionen leiden oft an Gesundheitsproblemen oder verlieren ihr zu Hause, weil sie für den Abbau von fossilen Rohstoffen oder für die Produktion von vermeintlich grüner Energie verdrängt werden. Auch vermeintlich grüne Energieproduktion ist verbunden mit Treibhausgasemissionen und sozialen Problemen, von denen insbesondere Menschen mit weniger Rechten und Privilegien betroffen sind. Oftmals wird die gewonnene Energie im Globalen Norden genutzt, die sozialen und ökologischen Folgen aber bleiben vor allem den Globalen Süden, wo häufig nicht einmal der Energiebedarf zur Grundversorgung gedeckt ist. Gleichzeitig entfallen zum Beispiel auf die G20-Länder 80 Prozent des globalen Energieverbrauchs.

Was sind mögliche Alternativen zu fossilen Energieträgern? Was wird momentan hinsichtlich (vermeintlich) nachhaltiger Energie geplant? Und was für Auswirkungen hat das eigentlich?

Wasserstoff = Klimaretter?

Maschine mit Pfleilen: H2O zu O2 und H2.
Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern muss erst mithilfe von anderen Energiequellen umgewandelt werden. Die Herstellung benötigt viel Wasser. Damit der Wasserstoff am Ende klimaneutral (externer Link, öffnet neues Fenster) ist, muss die benötigte Energie vollständig emissionsfrei erzeugt werden, also zum Beispiel durch Solarpaneele oder Windräder. Keine Energieproduktion kann gänzlich klimaneutral erfolgen, da es immer entsprechende Infrastruktur und Technik braucht, deren Bereitstellung wiederum nicht ohne Freisetzung von Treibhausgasen möglich ist. Auch Wasserstoff kann also nie ganz klimaneutral erzeugt werden.

Die deutsche Wasserstoffstrategie

Der Energiebedarf in Deutschland ist zu groß, um ihn komplett mit Wasserstoff aus erneuerbaren Energien decken zu können. Deshalb plant Deutschland, sowie viele andere Länder des Globalen Nordens einen Großteil des Wasserstoffs zu importieren.

Auf der folgenden Karte kannst du dir zu einzelnen Wasserstoffprojekten und ihren Auswirkungen in den jeweiligen Exportländern einen Eindruck verschaffen. Auch Alternativen gegen die Energieknappheit im Globalen Süden kannst du hier sehen.

Hinweis

In der Karte werden Ereignisse behandelt, bei denen BIPoC Menschen (externer Link, öffnet neues Fenster) Gewalt angetan wird. Es sind keine Bilder von Gewalt zu sehen, aber es werden gewaltvolle Ereignisse wiedergegeben.

 

Wasserstoffstrategie

Weiterlesen!

Mehr zu Wasserstoff, den Plänen der deutschen Regierung und vielen weiteren Aspekten, gibt es im Glossar: Wasserstoff und Klimagerechtigkeit.

 

Zum Glossar

Es geht auch anders! Gleiche Energie für alle

Wie auf der Karte sichtbar wird, versuchen Deutschland und der Globale Norden insgesamt große Mengen Wasserstoff zu importieren, um sich von fossilen Rohstoffen unabhängiger zu machen. Die Produktion von Wasserstoff geht allerdings im Globalen Süden oft mit massiven sozial-ökologischen Problemen einher. Eine weiter steigende Nachfrage nach Wasserstoff hätte verheerende Folgen in den Exportländern, insbesondere für von Diskriminierung Betroffene und arme Menschen.

Um wirklich ökologisch nachhaltig und sozial gerecht aus den fossilen Rohstoffen auszusteigen, bräuchte es eine Reduktion des Energieverbrauchs, insbesondere in den Ländern des Globalen Nordens und insbesondere der reichsten 10% der Weltbevölkerung.

 

 

Die 2000 Watt Gesellschaft als Alternative

Person mit elektrischen Geräten. Text: 2000 Watt.
Ein möglicher Lösungsansatz ist der Vorschlag einer 2000 Watt-Gesellschaft. Damit soll erreicht werden, dass sich das Weltklima um höchstens 2°C erwärmt. Der Grundgedanke des Vorschlags besteht darin, dass allen Menschen gleich viel Energie und damit Treibhausgasemissionen zustehen. Jeder Mensch dürfte demnach nicht mehr als 2000-Watt Energie-Dauerleistung in Anspruch nehmen und maximal eine Tonne CO₂ pro Jahr ausstoßen, einschließlich der Energie, die für Herstellung, Transport und Entsorgung von genutzten Produkten benötigt wird.

Woher kommt die Idee der 2000-Watt-Gesellschaft?

Arbeiter an Maschinen. Text: 1 Tonne CO2
Das Konzept der 2000-Watt-Gesellschaft kommt aus der Schweiz, wo es seit 2002 als langfristiges Ziel in der Energie- und Klimapolitik verankert ist. 2000 Watt war, als das Konzept entstanden ist der durchschnittliche Stromverbrauch weltweit und es konnte festgestellt werden, dass sich der Lebensstandard in der Schweiz mit 2000 Watt aufrechterhalten lassen könnte.

Die Berechnungen beziehen sich zwar auf eine globale Umsetzung der Konzeptes - viele Länder des Globalen Südens liegen in ihrem pro Kopf Verbrauch allerdings sowieso unter der einen Tonne CO₂ Ausstoß pro Jahr.

Globale Ungerechtigkeit beim CO2 Ausstoß

Weltkugel mit Personen und Transportmitteln.
Dass Menschen unterschiedliche Bedürfnisse und Bedarfe haben, die mit CO2 Ausstoß in Verbindung stehen (z.B. Familie mit dem Flugzeug zu besuchen, die weiter weg wohnt) wird im Konzept nicht beachtet, genauso wenig wie die Tatsache, dass ein klimafreundliches Leben auch eine Frage des Geldes ist. Auch die Frage der ungleichen Schuld an der Klimakatastrophe vom Globalen Norden und Süden wird hier vernachlässigt.

Klimakampf vs. Klassenkampf?

Brennende Weltkugel mit verschiedenen Personen.
Man erkennt daran, dass viele klimapolitische Ansätze die Fragen von globaler Armut, Reichtum und Macht nicht ausreichend berücksichtigen oder sogar zu ihrem Vorteil nutzen. Es sind vor allem der Staat und die Unternehmen im globalen Norden, die die eigentliche Gestaltungsmacht besitzen und Klimapolitik oft rein auf Gewinninteressen und den Erhalt des Wirtschaftsstandorts ausrichten. Stattdessen wird die Verantwortung auf Einzelpersonen verteilt - wodurch das Problem bei der armen Bevölkerung im globalen Norden erscheint, die sich den „richtigen Konsum“ (zum Beispiel von E-Autos und LED Lampen) nicht leisten können.   Um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie viel Energie 2000 Watt eigentlich sind und wie eine 2000-Watt-Gesellschaft den globalen Energieverbrauch verändern würde, kannst du dieses Quiz machen.

2000 Watt, ist das viel oder wenig?

Widerstand gegen deutsche Wasserstoffpläne: #AlleGegenLNG

Wasserstoff wird momentan in fast allen Bereichen als Alternative zu fossiler Energie diskutiert - als Ersatz für Treibstoffe in der Auto- und Flugindustrie, zum Heizen und für Gaskraftwerke. Besonders präsent sind im Moment die Pläne der deutschen Regierung, die LNG-Infrastruktur weiter auszubauen. Durch diese soll klimaschädliches Flüssiggas nach Deutschland transportiert werden. Das wird damit begründet, dass die Infrastruktur später auch für Wasserstofftransport genutzt werden könnte. Eine Umrüstung auf Wasserstoff ist allerdings oft nur nach sehr teurem Umbau möglich – da wäre es sogar billiger, direkt eine neue Wasserstoffinfrastruktur zu bauen. Es wäre sogar sinnvoll einfach keine Infrastruktur zu errichten, da eine lokale Energieproduktion und eine starke Reduzierung des Energiebedarfs ausreichen würden.

H2 Ready?

‚LNG ist in Ordnung, weil „ready“ für Wasserstoff’: dieses Argument macht keinen Sinn:

“Die Studie der S4F [Scientists for Future] zeigt klar auf, dass es für dieses Argument weder eine energie- noch klimapolitische Notwendigkeit gibt. Wichtiger wäre es, den Aufbau von Kapazitäten zur Wasserstofferzeugung ausschließlich aus erneuerbaren Energien und damit auch den Ausbau von erneuerbaren Energien voran zu treiben“
– Matteo Feind, Fridays for Future

Trotzdem sollen aktuell auf der Insel Rügen neue LNG-Terminals gebaut werden. Sie dienen dem Transport von Erdgas in das deutsche Gasnetz. Seit Jahren gibt es gegen den Ausbau der Erdgas- Infrastrukturen Proteste, so auch auf Rügen. Hier schließen sich Anwohner*innen und Klimaschutzakteure zusammen. Zum Beispiel die Initiative „Rügen Gegen LNG“ (externer Link, öffnet neues Fenster).

Rügen gegen LNG

Quellen: Grüne Energien - Ausbeutung für die Energiewende?

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Dieser Beitrag ist Teil der Reihe ExitKrise! - Grundlagen zu Krisen und Wegen zu Globaler Gerechtigkeit, das in Kooperation mit Konzeptwerk Neue Ökonomie (externer Link, öffnet neues Fenster) erstellt wurde. Dieser Beitrag wird unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 (externer Link, öffnet neues Fenster)veröffentlicht! Teile, nutze oder adaptiere es für deine Bildungsarbeit. Vergiss nicht es weiter unter den gleichen Bedingungen zu veröffentlichen und dabei LINX und die Autor*innen zu erwähnen!

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