Kolumbien gilt als älteste Demokratie Lateinamerikas. Tatsächlich ist es ein autoritäres Regime, das seit über 100 Jahren Krieg gegen die Bevölkerung führt. Wie leistet die Bevölkerung Widerstand?
Historisch erzielte die Gewerkschaftsbewegung bedeutende Erfolge, wie die Rückübertragung von privaten Ölförderkonzessionen an den Staat und die Gründung der staatlichen Ölgesellschaft Ecopetrol, infolge eines Ölarbeiterstreiks. Heute sind Gewerkschaftsmitglieder fast zu gleichen Teilen im privaten (52%) und im öffentlichen Sektor (48%). Die stärksten Gewerkschaften sind im öffentlichen Sektor. 69,23% der Lehrer:innen sind gewerkschaftlich organisiert. Die Mitgliedschaft konzentriert sich in den drei größten Städten. Außerhalb herrscht Angst vor den Paramilitärs. So z.B. in den Palmölplantagen. In den 1980er- und 1990er-Jahren waren Gewerkschaften dort so erfolgreich, dass die Ölpalmenproduzenten dazu aufriefen, die Gewerkschaften von „subversiven Elementen“ zu säubern. Ab 1995, während der Tarifverhandlungen mit dem größten Produzenten, eskalierten Paramilitärs ihre Angriffe. Sie ermordeten 95 Gewerkschaftsführer, 15 verschwanden und 50 wurden gewaltsam vertrieben.
Die zentrale Rolle im Kampf gegen die neoliberale Ordnung haben Bäuer*innen-, Indigenen-, Afro-, und Studierendenbewegungen übernommen. Die Meisten waren keine Gewerkschafter*innen.
Eine Ausnahme bildet die Lebensmittelarbeiter*innengewerkschaft Sinaltrainal, die eine klassenkämpferische Perspektive über Löhne und Arbeitsbedingungen hinaus vertritt. Viele ihrer Mitglieder wurden ermordet.
Darüber hinaus wurden in 75 Prozent der Fälle, für die Informationen verfügbar sind, bereits zuvor Angriffe verübt, bei denen Kolleg*innen oder andere Menschenrechtsverteidiger*nnen getötet wurden.
Am 21.11.2019 riefen die Gewerkschaften zu einem landesweiten Streik gegen die Arbeits-, Renten- und Steuerreformen der Regierung auf. Überraschend beteiligten sich 1,5 Millionen Menschen an Protesten. Die Gewerkschaften beließen es beim einmaligen Aufruf. Studierende und Nachbarschaftsorganisationen aber setzten die Proteste fort. Die Ermordung von Dilan Cruz, einem jungen Studenten aus der Arbeiterklasse, durch die Polizei entfesselte eine Protestwelle in fast allen Städten des Landes.
Dylan Cruz war einer von drei Toten. Die Mobilisierung lag nun bei den meist neu gegründeten Nachbarschaftsorganisationen. Die Gewerkschaften sahen sich gezwungen weitere Proteste auszurufen bis die Covid-19-Pandemie zur Aussetzung der meisten Proteste führte. Inmitten der zunächst strengen Ausgangssperre entstanden in ärmeren Gegenden Proteste, um die Regierung zur Verteilung von Nahrungsmitteln zu zwingen. Der Staat antwortete mit Repression.
Das Jahr 2020 war eines der schlimmsten Jahre für soziale Anführer und Menschenrechtsverteidiger in Kolumbien. 310 Menschen wurden aus politischen und ökonomischen Gründen ermordet. Berichten zufolge nahm die Ermordung dieser Bevölkerung in diesem Jahr um 60% zu, zumeist durch paramilitärische Gruppen und die Erben des Paramilitarismus, ohne dass die staatlichen Instanzen echte oder wirksame Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit der Zivilbevölkerung ergriffen hätten.
Die Proteste dauerten dennoch fünf Tage bis sie mit großer Brutalität vom Staat zerschlagen wurden: 83 Menschen wurden von der Polizei getötet und 93 verloren ein Auge durch Gummigeschosse. Bis heute bleiben diese Staatsverbrechen unbestraft.
Nach den massiven Mobilisierungen der letzten Jahre in Kolumbien wurde eine ausreichend starke Basis in der Bevölkerung aufgebaut, um die Präsidentschaftswahlen im Jahr 2022 zu gewinnen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Landes konnte eine fortschrittliche linke Kandidatur an die Macht kommen, ohne dabei getötet zu werden, wie es in den 1980er und 1990er Jahren so oft geschah. Mit der Regierung des "Pacto Histórico" werden allmählich Maßnahmen zugunsten der unterprivilegierten Mehrheiten auf den Weg gebracht. Der Kampf ist nach wie vor an der Tagesordnung, denn der Abbau und die Reform der wirtschaftlichen und politischen Machtstrukturen der jahrhundertealten Eliten ist keine leichte Aufgabe.
Erzählung: Dario Azzellini und Adriana Yee Meyberg, Grafik: Carina Crenshaw
Dies ist ein visuelles Storytelling inspiriert vom Artikel "Gewerkschaftsarbeit unter einem autoritären Regime" von Gearóid Ó Loingsigh, der in dem Sammelband "Mehr als Arbeitskampf! Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit gegen Autoritarismus, Faschismus und Diktatur (externer Link, öffnet neues Fenster)" veröffentlicht wurde.
Diese visuelle Erzählung wird unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 (externer Link, öffnet neues Fenster) veröffentlich!Teile, nutze oder adaptiere diese grafische Erzählung für deine Bildungsarbeit. Vergiss nicht es weiter unter den gleichen Bedingungen zu veröffentlichen und dabei LINX und die Autor*innen zu erwähnen!
Mit den neoliberalen Reformen, die Macron zügig umgesetzt hat, ist der soziale Dialog zwischen den sozialen Bewegungen, den Gewerkschaften und der Regierung schwieriger und zersplitterter geworden. Trotz massiver Proteste wurde 2023 die Anhebung des Rentenalters auf 64 Jahre beschlossen. Die Gewerkschaften und sozialen Bewegungen konnten den Kurs Macrons nicht entscheidend ändern. Doch sie artikulieren kapitalismuskritische und klassenkämpferische Positionen, auch unter der Berücksichtigung migrantischer Kämpfe. Der Kampf geht weiter!
Arbeiter*innenkämpfe haben in Deutschland eine lange Tradition. Im Laufe der Zeit haben sie sich nicht nur auf die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen konzentriert, sondern waren auch - wenn auch am Anfang in eher schüchterner Form - mit dem antirassistischen und antifaschistischen Kampf verbunden. In der gewerkschaftlichen politischen Bildung wurde der rechten Hetze nach dem „Sommer der Migration“ 2015 verstärkt ein realistisches Bild der Asyl- und Migrationspolitik entgegengesetzt.
Seit 2014 regiert eine von der rechten Hindu-nationalistischen Partei des indischen Volkes, geführte Koalition unter Narendra Modi. Um internationales Privatkapital anzuziehen wurden Kündigungen und das Vorgehen gegen Gewerkschaften erleichtert und Staatsunternehmen sollen privatisiert werden. In diesem Kontext organisieren sich traditionelle Gewerkschaften und Verbände aber auch informelle und Wanderarbeiter*innen.
Während der Trump-Präsidentschaft wandten sich die US-Gewerkschaften zunächst nur symbolisch gegen den Aufstieg des Autoritarismus. Mit der Zeit handelten sie entschlossener. Wo Gewerkschaftsmitglieder am Arbeitsplatz aktiv wurden, gelang es, die Entwicklung in Richtung Autoritarismus zu bremsen und mitunter Erfolge zu erzielen.
2019 wurde Chile von der größten Revolte in seiner Geschichte erfasst. Die rechte Regierung unter Sebastián Piñera reagierte mit militärischer Repression. Auf dem Höhepunkt der Proteste kam es zu einem massiven Generalstreik der den Weg für ein Verfassungsreferendum ebnete. Nach zweijähriger Arbeit wurde der neue Verfassungsentwurf in einer Volksabstimmung abgelehnt.
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