Arbeiter*innenkämpfe haben in Deutschland eine lange Tradition. Im Laufe der Zeit haben sie sich nicht nur auf die Forderung nach besseren Arbeitsbedingungen konzentriert, sondern waren auch - wenn auch am Anfang in eher schüchterner Form - mit dem antirassistischen und antifaschistischen Kampf verbunden. In der gewerkschaftlichen politischen Bildung wurde der rechten Hetze nach dem „Sommer der Migration“ 2015 verstärkt ein realistisches Bild der Asyl- und Migrationspolitik entgegengesetzt.
Ein wichtiger Auslöser für Arbeitskämpfe sind Tarifverhandlungen zwischen Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften. Die Gewerkschaften fordern oft höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen, während die Arbeitgeber*innen versuchen, die Kosten niedrig zu halten. Wenn sich die Parteien nicht einigen können, kann es zu Streiks oder anderen Arbeitskämpfen kommen. Arbeitskämpfe in Deutschland können verschiedene Formen annehmen, darunter Streiks, Demonstrationen, Boykotte, Betriebsbesetzungen und andere Formen des zivilen Ungehorsams. In einigen Fällen können die Arbeitskämpfe auch gewalttätig werden, aber dies ist eher selten.
Bei den Tarifverhandlungen im Jahr 2023 sorgten die unzureichenden Angeboten der Arbeitergeber*innen für große Unruhe bei den Arbeiter*innen. Im März hat einer der größten Streiks der vergangenen Jahre stattgefunden. Die Dienstleistungsgesellschaft Ver.di und die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) haben deutschlandweit insgesamt rund 350.000 Beschäftigte in verschiedenen Bereichen zu einem 24-stündigen Warnstreik aufgerufen. Der Streik trifft den gesamten Verkehrssektor, einschließlich öffentlicher Verkehrsmittel, Bahn, Flughäfen, Häfen und Schleusen. Mehr als 30.000 Beschäftigte beteiligten sich an Streikaktionen an 350 Standorten.
► Die EVG fordert bei einer Laufzeit von einem Jahr Lohnerhöhungen von insgesamt zwölf Prozent, mindestens aber 650 Euro als "soziale Komponente". In ganz Deutschland fanden im Laufe des Tages mehr als 50 Kundgebungen statt. ► In Potsdam ging die Ver.di -Gewerkschaft in die Tarifverhandlungen für rund 2,4 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst. Die Gewerkschaft fordert 10,5 Prozent. Die Arbeitgeber*innen boten eine Erhöhung um 7 % an, allerdings nur für 24 Monate. Und eine Einmalzahlung von maximal 300 Euro ebenfalls nur für 24 Monate. Das sind 150 Euro pro Jahr. Die Bundeskommission erklärte die Verhandlungen für gescheitert.
Die Arbeitgeber*innen haben die Schlichtung. Ein Verfahren, das seit 2011 vereinbart ist und in dem noch verhandelt wird, um ein Ergebnis zu erzielen. Während der Schlichtung besteht Friedenspflicht. Diese beginnt jedoch erst drei Tage nach dem Scheitern der Verhandlungen. Während dieses Zeitraums ist mit Streiks zu rechnen.
Die Zurückhaltung der Gewerkschaften im antirassistischen Kampf wich, als der offen faschistische Flügel der AfD stärker wurde. Nachdem im August 2018 in Chemnitz ein junger Mann, selber of Color, bei einer Schlägerei mit einem irakischen Flüchtling starb, organisierten rechte Schlägertrupps Hetzjagden und Anschläge auf Migrant*innen. Große Teile der AfD-Führung demonstrierten mit gewaltbereiten Neonazis. Sie zeigten sie haben dasselbe Ziel: Mit Gewalt ein ethnisch und kulturell gereinigtes Deutschland schaffen. Bundesinnenminister Horst Seehofer legitimierte die Gewalt mit der Aussage Migration sei die »Mutter aller Probleme«. Viele Medien hetzten mit. Die Polizei tat nichts gegen die rassistischen Angriffe.
Ein anderes Hemmnis für eine offensive Gegenmobilisierung in den Gewerkschaften war die Selbstinszenierung der AfD als »Partei der kleinen Leute«, aufgrund der überdurchschnittlichen Zustimmung durch Arbeiter*innen, Erwerbslose und Gewerkschaftsmitglieder für die Partei bei den Landtags- und Bundestagswahlen 2016 und 2017. In der gewerkschaftlichen politischen Bildung wurden nach dem so genannten Sommer der Migration 2015 (als die Bundesrepublik fast eine Million Schutzsuchender aus den Kriegs- und Krisenländern des Mittleren Ostens aufnahm) Ansätze intensiviert, die der Hetze von Rechts einen realistischen Blick auf die Ursachen von Flucht und Migration entgegensetzen. Mit der Seminarreihe »Fakten statt Populismus« über die Asyl- und Migrationspolitik richtet sich z.B. Ver.di in erster Linie an Auszubildende und junge Beschäftigte.
Diese Erkenntnis fehlte den Gewerkschaften zuvor. Von nun an wurde häufiger der eigenständige rassistische Charakter der Partei als Bedrohung und Abwertung der migrantisch geprägten Mitgliedschaft in den Gewerkschaften betont. Als hilfreiche Handlungsmaxime haben die Gewerkschaften den Slogan »Klare Kante und offene Tür«: Klare Kante gegen rechts und gemeinsam gegen reaktionäre und für solidarische Lösungen sozialer Probleme kämpfen. Dies kann auf der gewerkschaftlichen und betrieblichen Ebene in vier Kernfeldern Wirkung entfalten:
Nutzen und Weitergeben!
Erzählung: Dario Azzellini und Adriana Yee Meyberg, Grafik: Carina Crenshaw
Dies ist ein visuelles Storytelling inspiriert vom Artikel "Von der Symbolik zur Praxis. Die deutschen Gewerkschaften, Antirassismus und Gefahren von rechts" von Romin Khan, der in dem Sammelband "Mehr als Arbeitskampf! Arbeiterinnen und Arbeiter weltweit gegen Autoritarismus, Faschismus und Diktatur (externer Link, öffnet neues Fenster)" veröffentlicht wurde.
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