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Juli
2023

Die Macht der Karten - Mehr als nur ein Abbild der Realität!

Karten sind nicht nur im Atlas in der Schule und auf Google Maps zu finden. Ob politische Landkarten, Weltkarten zur Klimakrise oder zur Bestimmung eines Standpunktes in der Seenotrettung: Karten beeinflussen unsere Realität! In diesem Beitrag erfährst du einiges über die Herkunft von Karten und was wichtig zu beachten ist bei der Nutzung. Teste danach dein Wissen in unserem Kreuzworträtsel!

 

Schwarz-Weiß Zeichnung. Links fast nur Leere außer ganz unten Strand und leicht darüber ein Bahngleis. Rechts sind Häuser als Miniquadrate eingezeichnet, so dass ein dicht besiedeltes Gebiet erkennbar wird.
Karten sollen die Realität beschreiben. Aber Achtung: Karten beschreiben vor allem die Sichtweise der Ersteller*innen auf die Realität!   Die Karte links zeigt die persönliche Weltkarte eines jungen Mädchens in New York. Alles ist auf ihren Lebensmittelpunkt zentriert und die Ränder verblassen.   In Europa ist die Weltkarte auf Europa zentriert, in Japan und China auf Asien. Verschiedene Weltkarten haben im Laufe der Jahrhunderte versucht, die Landmassen detailliert nachzustellen.

Karten: Im Dienst der Mächtigen

Im Folgenden stellen wir euch die wichtigsten Kartentypen vor und warum es so schwierig ist, die Weltkugel auf eine Karte einzufangen. Dabei geht es nicht nur um verschiedene technische Fragen, sondern die Darstellungen der Karten zeigen auch, wie die Macht auf der Welt verteilt ist.

Alles dazu hier im Artikel und Kreuzworträtsel!

Mercator-Projektion - eine Karte für Seefahrer*innen

Weltkarte in Mercator-Projektion. Die Karte ist zwar winkeltreu und somit gut lesbar für Seefahrer:innen, aber die Flächen der Weltkugel werden sehr verzerrt und Flächen am Äquator quasi gequetscht während die Pole sehr weit auseinandergezogen sind.
Die erste weit verbreitete Weltkarte ist wohl auch die Bekannteste - die Mercator-Projektion, hier der obere Teil der Grafik. Aber wie ihr weiter unten seht, stellt sie die Erde sehr unverhältnismäßig dar. Je weiter ein Ort vom Äquator weg ist, desto größer wird er dargestellt. So werden Europa, Russland, Nordamerika und der Südpol zu Riesen, während ganz Afrika und Asien quasi schrumpft.   Diese Karte ist allerdings winkeltreu und dafür für Seefahrer*innen sehr hilfreich, um mit Kompass und Karte navigieren zu können.

Gall-Peters-Projektion - Maßstabsgetreu und doch verzerrt

Die Gall-Peters-Projektion stellt die Welt im Maßstab der Fläche genauer dar, dadurch werden allerdings die Winkel unsauber. Hier lässt sich eher verstehen, wie groß Kontinente im Vergleich zueinander sind.
James Gall hat schon im 19. Jahrhundert diese Karte entworfen. Im Jahr 1973 machte Arno Peters dieses Kartendesign weltweit bekannt. Als sich herausstellte, dass schon früher eine andere Person auf die selbe Idee gekommen war, wurde die Karte nach beiden Personen benannt: die Gall-Peters-Projektion.   Zu sehen sind alle Flächen in einem exakten Maßstab wie in der Realität. So verstehen wir besser, wie groß die Kontinente eigentlich sind und der Fokus verschiebt sich weg von Europa und Nordamerika. Schaut mal, ob ihr Deutschland überhaupt einer anderen Person zeigen könntet! Ein Problem der Karte ist allerdings, dass es zu größeren Winkel- und Formverzerrungen kommt.

Winkel-Tripel-Projektion - weitverbreitet und doch nicht exakt

Die Weltkarte ist in einem zur Seite weiten Oval dargestellt. Dies ist ein Kompromiss aus möglichst ähnlichen Flächenverhältnissen und einer nicht mehr genauen Winkeltreue. Rote Punkte verdeutlichen die Flächenverhältnisse, die zwar nicht so krass auseinanderklaffen wie bei der Mercator-Projektion, aber dennoch vorhanden sind.
Heutzutage werden oft keine rechteckigen, sondern ovale oder zumindest abgerundete Karten genutzt. Dieser Kompromiss zwischen möglichst wenig Flächenverzerrung und einer Darstellung der Rundung ist zwar für technische Arbeit nicht gut einsetzbar, aber zur möglichst realitätsnahen Darstellung der Erde hilfreich. Oft können wir solche Karten bei Klimadarstellungen und zur Bebilderung von globalen Netzwerken finden.   Die roten Punkte zeigen, dass auch diese Darstellung nicht exakt flächentreu ist und die Pole deutlich zu groß im Verhältnis zu Orten am Äquator dargestellt sind.

Hobo-Dyer-Projektion - Alles auf den Kopf gestellt?!

Auf dieser Karte ist der Süden oben und die Karte entsprechend ungewöhnlich anzusehen. Außer dem süden der Karte ist ungefähr die Gall-Peters-Projektion verwendet.
Bei der Hobo-Dyer-Projektion sind die Landmassen im Verhältnis richtig, die Grenzverläufe werden dadurch jedoch verzerrt. Die ursprüngliche ODT-Karte ist auf zwei Seiten gedruckt, eine Seite mit Norden nach oben und die andere mit Süden nach oben. So erlangt die südliche Halbkugel mehr Sichtbarkeit. Die gedrehte Karte ist genauso exakt wie die nach Norden ausgerichtete Karte!

Die Welt ist keine Scheibe! Und Karten nie exakt. Was nun?

Dieses Wissen um die Ungenauigkeit und Vielfältigkeit von Karten und ihren Interpretationen ist wichtig, um schnell neue Informationen einordnen zu können. Nehmen wir die Mittelmeerraumkarte weiter unten: Ohne kritische Kontextualisierung sieht es durch die großen roten Pfeile so aus, als würde eine Gefahr aus Afrika und Asien nach Europa eindringen.

Frontex-Karte zu Migration nach Europa

Die Karte zeigt das nördliche Afrika und viele Pfeile aus verschiedenen Regionen, die alle nach Europa zeigen. Übertitelt ist die Karte mit: Angriff mit Pfeilen und zu viele Minderheiten

Deshalb ist es wichtig, immer die Herkunft von Medien und Informationen zu überprüfen. Mit dem Wissen, dass die europäische Grenzpolizei Frontex, die für ihre Menschenrechtsverletzungen und regelmäßigen Rechtsbrüche bekannt ist, diese Karte erstellt hat, macht diese Art und Weise der Darstellung mehr Sinn.

Medienkompetenz ist das Stichwort. Denn dass die Migration von Menschen in einer Darstellungsweise veröffentlicht ist, die normalerweise vor allem Militärtaktiken vorbehalten ist, ist zumindest fragwürdig. In jedem Fall wird hier mit kartographischen Mitteln ein Bedrohungsszenario erzeugt, das durch eine andere Farbgebung und Gestaltung der Karte unter Umständen gar nicht zustande käme.

Ein anderes Beispiel, wie manipulativ Karten wirken können, seht ihr in unserer nächsten Grafik. Dort wurde das bosnische Staatsgebiet je nach ethnischer Zugehörigkeit in Regionen aufgeteilt. Dass es in den einfarbig dargestellten Regionen allerdings Vertreter*innen vieler weiterer Bevölkerungsgruppen gibt, macht diese Darstellung weitgehende unsichtbar. Die abgebildeten Minderheiten sind unverhältnismäßig dargestellt.

Eine Landkarte Bosniens ist dargestellt. Die jeweiligen Regionen sind insgesamt durch fünf Farben verschieden aufgeteilt. Balkendiagramme zeigen die Minderheiten der Regionen, jedoch nur ungenau und unvollständig. Nur für zwei Städte sind mithilfe eines Tortendiagramms die tatsächlichen Anteile angegeben. Im begleiteten Text steht, dass durch die Massenvertreibungen im Bosnienkrieg ab 1992 die Vielfalt im Land verschwinden ließ – durch neue absolute Mehrheiten fast überall.

Wie kann man Karten nutzen?

Wie zivilgesellschaftliche Organisationen sich Karten zunutze machen können, zeigt das Beispiel von Alarm Phone. Diese Organisation bietet Menschen, die das Mittelmeer überqueren, eine Notruf-Hotline und alarmiert die Küstenwachen der EU-Länder. Durch die Weitergabe des genauen Standortes des Bootes und des Wissens, wen sie kontaktieren müssen und wie sie Druck aufbauen können, werden so viele Menschen gerettet. Ein Video, wo die Nutzung eines GPS-Handies gezeigt wird, haben wir euch hier verlinkt. (externer Link, öffnet neues Fenster)

So, genug über Karten gelernt! Jetzt könnt ihr euer Wissen testen und dieses Kreuzworträtsel bestimmt ausfüllen! Wenn ihr noch mehr Infos zu einem Thema wollt oder nicht weiter wisst, klickt auf den Tipp. Dort findet ihr oft auch noch Links zu tiefergehenden Artikeln zum jeweiligen Thema.

Viel Erfolg!

Kritisches Karten-Kreuzworträtsel

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Wir haben uns mit Expert*innen zusammengetan und ein ganzes Buch im Format eines Atlanten - auf Englisch - über die Macht von Karten herausgebracht: This Is Not an Atlas versammelt mehr als 40 Gegenkartografien aus der ganzen Welt. Als erste ihrer Art zeigt diese Sammlung, wie Karten als Teil politischer Kämpfe, für kritische Forschung oder in Kunst und Bildung erstellt und umgewandelt werden: Von indigenen Kämpfen im Amazonasgebiet bis zur Anti-Eviktionsbewegung in San Francisco, von der Verteidigung von Gemeingütern in Mexiko bis zur Kartierung von Flüchtlingslagern mit Luftballons im Libanon...

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Nutzen und Teilen!

Online-Beitrag erstellt von Florian Leiner. Dieser Beitrag basiert auf dem Kapitel "Karten: Im Dienst der Mächtigen" von Antonie Schmiz, Stephan Liebscher und Barbara Orth aus dem Atlas der Migration 2022 der Rosa-Luxemburg-Stiftung. Der Atlas der Migration steht unter der Creative-Commons-Lizenz „Namensnennung –4.0 international“ (CC BY 4.0 (externer Link, öffnet neues Fenster)). Du kannst die einzelnen Infografiken dieses Atlas für eigene Zwecke nutzen, wenn der Urhebernachweis „Bartz/Stockmar, CC BY 4.0“ in der Nähe der Grafik steht, bei Bearbeitungen „Bartz/Stockmar (M), CC BY 4.0“. Bilder: Hintergrund Kreuzwortsrätsel, Gall-Peters & Winkel-Tripel-Projektion: Tobias Jung auf map-projections.net/

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