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Juli
2024

Was ist los in Niger?

Niger ist ein Land in Westafrika und steht derzeit beispielhaft für eine spannungsgeladene politische Entwicklung in der Region. Nachdem das Militär in Mali 2020 und in Burkina Faso 2021 die mehr oder weniger demokratisch gewählten Regierungen absetzte, gab es im Sommer 2023 auch in Niger einen Putsch. Was ist also los in Niger? Wir beleuchten die Hintergründe des Konflikts, die Rolle von anderen Staaten darin und seine direkten Auswirkungen auf die dort lebenden Menschen.

 

Was ist der Konflikt?

Im Sommer 2023 setzte das Militär in Niger den gewählten Präsidenten, Mohamed Bazoum, ab und regiert seitdem. Das war für die deutsche Regierung ein Schock – Niger galt als „Stabilitätsanker“ in der so genannten Sahel-Region. Kurz danach entschied die nigrische Militärregierung, dass alle französischen Soldat*innen das Land verlassen sollten. Auch die deutschen und US-amerikanischen Soldat*innen  mussten gehen. Die neue Militärregierung sucht die Nähe zu Russland und stößt damit die westlichen Großmächte vor den Kopf. Was ist bei dem Putsch passiert und wie können wir das verstehen? Welche Ziele verfolgen die sich in der Sahel-Region engagierenden Großmächte wie die USA, die EU, China und zunehmend auch Russland? Im Folgenden beleuchten wir das Land Niger, seine Geschichte und die Hintergründe, die zum Konflikt führten.

Die Republik Niger ist ein Staat in Westafrika und hat ca. 26,2. Mio. Einwohner*innen. Neben den zehn anerkannten Nationalsprachen (wie z.B. dem in Westafrika verbreiteten Hausa) spielt im Alltag vor allem Französisch eine große Rolle. Als ehemalige Kolonie erkämpfte sich Niger erst 1960 seine Unabhängigkeit von Frankreich – unter Bedingungen, die das Land bis heute prägen. Bis jetzt ist der Einfluss Frankreichs in der Region groß und ein Grund für die derzeitige politische Entwicklung in Ländern der sogenannten „Sahel-Zone“. Dazu gehören die Länder Mauretanien, Mali, Burkina Faso, Niger und Tschad.
Niger ist ein Binnenland ohne Zugang zum Meer. Es grenzt an Algerien, Libyen, Tschad, Benin, Nigeria, Mali und Burkina Faso. Mit 14 weiteren Staaten der Region war Niger bisher Teil der ECOWAS, der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft. Innerhalb der ECOWAS können sich Bürger*innen der Mitgliedstaaten theoretisch frei bewegen. Lebensmittel und andere Waren können – ähnlich wie in der Europäischen Union (EU) – ohne Zölle oder Steuern gehandelt werden. Ein Teil der ECOWAS-Staaten, darunter auch Niger, ist in der Westafrikanischen Währungsunion UEMOA. Ihre gemeinsame Währung CFA-Franc ist an den Euro gekoppelt. Die jetzige Militärregierung hat den Ausstieg aus der ECOWAS angekündigt und plant auch, die Währung zu ändern.

Konflikthintergrund und Auslöser

Wie kam es dazu, dass die Situation am 26. Juli 2023 eskalierte und der Leibwächter zusammen mit anderen aus der Präsidentengarde den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum ab- und eine neue Militärregierung einsetzten? Schauen wir uns die Hintergründe und die Entwicklung im Jahr 2023 hierzu genauer an:

Was geschah im Juli 2023?

La France doit partir

Der Putsch

Am 26. Juli 2023 begann der Putsch durch die Präsidentengarde unter dem Kommando von General Abdourahamane Tiani. Die Militärs setzten den demokratisch gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum in den Morgenstunden fest. Am Abend verlasen hochrangige Militärs im nationalen Fernsehsender RTN, dass die Streitkräfte die aktuelle Regierung abgesetzt und stattdessen einen Nationalen Rat für den Schutz des Vaterlandes eingesetzt hätten. Tiani ernannte sich am 28. Juli als neuer Präsident. Als Gründe für den Staatsstreich nannten die Militärs die immer schlechtere Sicherheitslage sowie die sozioökonomische Situation im Land. Die Verfassung wurde ausgesetzt, die Landesgrenzen für eine Woche geschlossen und eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Demonstrationen gegen den Putsch wurden unterdrückt. Im Gegenzug wurden Demonstrationen, die sich hinter die neue Regierung stellten, zugelassen.  

Reaktionen

Vor allem westliche Akteure wie die USA und Frankreich, aber auch multilaterale Organisationen wie die Afrikanische Union (AU), die Vereinten Nationen (UN) und die Europäische Union (EU) verurteilten den Staatsstreich scharf. Insbesondere die AU sowie die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) reagierten zunächst entschlossen und verlangten auf Druck von Frankreich eine augenblickliche Freilassung Bazoums. Sollte dieser Forderung nicht nachgegangen werden, drohte die ECOWAS mit wirtschaftlichen Sanktionen und anfangs sogar mit einer militärischen Intervention.  

Strafen für Niger

Die ECOWAS schloss die Grenzen (zu Benin und Nigeria), was Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen ließ. Außerdem lieferte Nigeria keinen Strom mehr nach Niger, sodass es plötzlich 70% weniger Strom gab. Die Westafrikanische Währungsunion fror das nigrische Geld ein. Damit kam keinerlei Geld mehr nach Niger, was bedeutete, dass man kein Geld abheben konnte - selbst wenn man einen Lohn ausgezahlt bekam. Deutschland, Frankreich, die USA und andere unterbrachen von einem Tag auf den nächsten ihre Entwicklungshilfe. Damit fehlte dem Staatshaushalt sofort 55% seines Geldes. Auch humanitäre Hilfe, auf die viele Arme in Niger angewiesen sind, konnte nicht weiterlaufen, weil die Kosten in kürzester Zeit nicht mehr gedeckt werden konnten.

Die Militärregierung hält stand

Diese drastischen Maßnahmen wurden nach den Putschen in Mali und Burkina Faso nicht ergriffen. Niger gilt jedoch als Schlüsselland, um Migration nach Europa zu stoppen und um den dschihadistischen Terrorismus in der Region zu bekämpfen. Der Westen dachte, je größer der Druck auf das Militärregime, desto schneller gäbe es auf. Falsch gedacht: Das Militär ging eine Allianz mit den Regierungen in Burkina Faso und Mali ein und hält sich trotz allem bis jetzt an der Macht.  

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