Im August 2021 fielen die Taliban in Kabul, Afghanistan ein. Innerhalb kürzester Zeit, versuchten mehrere Hunderttausend Menschen das Land zu verlassen. Darunter Afghan*innen, die mit der demokratischen Regierung oder internationalen Streitkräften zusammengearbeitet hatten, sowie Minderheiten und Frauen. Sie kennen die Willkür, den Terror und die Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban.
Die Vereinigten Staaten von Amerika erklärten im Herbst 2001 dem Taliban-Herrschaft unterliegenden Afghanistan den Krieg, weil dort die Terror-Organisation Al-Qaida und dessen Gründer Osama bin Laden vermutet wurde. Der aus Saudi-Arabien stammende Osama bin Laden galt als Urheber der Terroranschläge vom 11. September 2001.
Nach dem Sturz der Taliban Ende 2001 sollten Truppen der NATO als „Internationale Sicherheitsunterstützungsgruppe“, kurz ISAF, Afghanistan nach 20 Jahren des Krieges befrieden und den Wiederaufbau des Landes und seine Demokratisierung sichern. Die Taliban lehnten sowohl die ausländischen Truppen, die Republik und Demokratie ab, weil diese nach ihrer Auslegung gegen den Islam und lokale Sitten verstoße. Der Aufbau des Landes, darunter Straßen, Schulen und Krankenhäuser, fand überwiegend in den Städten des statt und war oft mit Korruption und Vetternwirtschaft verbunden, was zum Misstrauen gegenüber der Demokratie und Volkstreter*innen insbesondere unter der ländlichen Bevölkerung führte. In den Städten etablierte sich eine Kultur- und Medienlandschaft und für die neue Mittelschicht sowie für Frauen boten sich Aufstiegschancen. Doch der größte Teil der Bevölkerung lebt auf dem Land, wo der Krieg und Kämpfe gegen die Taliban fortgeführt wurden. Die Entfremdung der Städte und der Regierung von den Realitäten des Landes stärkte den Taliban den Rücken. Denn Leidtragende der Kämpfe waren vielfach Zivilist*innen auf dem Land, etwa durch Hausdurchsuchungen und Bombardements. Gerade die Verstrickung der Regierungsmitglieder*innen in Korruption und Opiumhandel führte zum Vertrauensverlust durch große Teile der ländlichen, aber auch städtischen Bevölkerung. Die Taliban kontrollierten seit 2006 faktisch die ländlichen Gebiete und waren für regelmäßige Anschläge in den Städten verantwortlich.
Die Ankündigungen der NATO ihre Truppen abzuziehen, erstmalig in 2014 und ihre Verhandlungen mit den Taliban ab 2018, löste große Verunsicherung aus. Kurz vor dem Abzug aller ausländischen Truppen fiel die Islamische Republik am August 2021 und die Taliban riefen ihr Emirat erneut aus. Aus Afghanistan, aber auch aus dem Nachbarland Iran, in dem sich mehrere Millionen Geflüchtete aus Afghanistan aufhielten, entwickelte sich die größte Fluchtbewegung seit den 1990er Jahren, unter anderem nach Europa. Sie gipfelte in der erneuten Machtübernahme der Taliban im August 2021, bei der durch Evakuierungen durch das Ausland Hundertausend das Land über den Kabuler Flughafen aber auch eine Million über den Landweg verließen. Die Herrschaft der Taliban ist mit Willkür, Terror und gravierenden Menschenrechtsverletzungen verbunden. Besonders Frauen und marginalisierte Gruppen wie die Volksgruppe der Hazara sind hiervon betroffen. Der Krieg kostete bislang eine Million Menschen das Leben und hat bis dato mehr als drei Millionen Geflüchtete aus Afghanistan zur Folge.
Die Taliban sind eine heterogene Miliz, das heißt ihre Kämpfer setzen sich aus unterschiedlichen radikalisierten Gruppen aus Afghanistan, aber auch aus der Grenzregion in Pakistan zusammen. Pakistan ist ebenfalls am Konflikt beteiligt, in dessen Staatsgebiet die Taliban ihre Rückzugsorte haben und bis heute militärisch und ideologisch ausgebildet werden. Zwar bestreitet Pakistan offiziell die Verbindungen zu den Taliban, jedoch hat Pakistan bereits die erste Taliban-Regierung aufgrund historischer Verstrickungen anerkannt, während Taliban-Gegner als Widersacher gelten.
Die gefallene islamische Republik Afghanistans, insbesondere unter ihrem letzten Präsidenten Ashraf Ghani, der eine nationalistische Politik verfolgte, galt als eines der Widersacher Pakistans.
Die afghanische Nationalarmee (ANDSF) verzeichnete im Kampf gegen die Taliban die größten Verluste. Die Taliban haben zwar eine Generalamnestie erlassen, das heißt, dass die Unterstützung der islamischen Republik Afghanistans unter Ashraf Ghani nicht verfolgt wird. Es gibt jedoch zahlreiche Berichte über Morde und Entführungen, die zeigen, dass es eigentlich keine Generalamnestie gibt.[1]
Teile der Nationalarmee sollen sich der „Nationalen Widerstandsfront von Afghanistan“ (NRF) angeschlossen haben, welche sich unmittelbar nach der Machtübernahme der Taliban gegen die Taliban in einzelnen Provinzen und Distrikten zusammengefunden hat und die Taliban bekämpft. Teile der NRF haben bereits vor 20 Jahren mit der NATO die Taliban zum Sturz gebracht. Die militärische Relevanz der NRF ist umstritten.
Die USA fiel im Zuge des „Kampfes gegen den Terror“ im Oktober 2001 in Afghanistan ein [2] und kämpfte mit Unterstützung der NATO fast zwei Jahrzehnte gegen Taliban und „Aufständische“. Auch nach dem Abzug der US-Streitkräfte im August 2021, wonach die Taliban die Herrschaft übernahmen, behält sich die USA vor durch Luftangriffe in Afghanistan zu agieren.
Bild: (externer Link, öffnet neues Fenster)Michael Foley (externer Link, öffnet neues Fenster), CC BY-NC-ND 2.0 Deed, Flickr
Autorin des Fließtextes: Mina Jawad
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Weiterführende Literatur:
Brown University (2022): Costs of War. Hg. v. Waston Institute International & Public Affairs. Online verfügbar unter watson.brown.edu/costsofwar/, zuletzt geprüft am 06.05.2022.
Dittmann, Andreas (2011): Afghanistan 2001-2011. Versuch einer kritischen Bilanz. In: Geographische Rundschau 63 (11), S. 4–7.
Feroz, Emran (2017): Tod per Knopfdruck. Frankfurt am Main: Westend.
Feroz, Emran (2021): Der längste Krieg. 20 Jahre War on Terror. Frankfurt/Main: Westend.
Hippler, Jochen (2008): Das gefährlichste Land der Welt? Pakistan zwischen Militärherrschaft, Extremismus und Demokratie. Köln: Kiepenheuer & Witsch.
Kohistani, Sardar Mohammad (2005): Afghanistan: Nation-building in the Minds of People. In: Geographische Rundschau International Edition 2 (4), S. 14–18.
Rashid, Ahmed (2022): Taliban. Afghanistans Gotteskämpfer und der neue Krieg am Hindukusch. Originalausgabe, 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. München: C.H. Beck
Schetter, Conrad (2010): Kleine Geschichte Afghanistans. 3., aktualisierte Aufl. München: Beck.
UNHCR (2022): Afghanistan Situation. Registered Refugees from Afghanistan in Neighboring Countries. Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen. Online verfügbar unter data2.unhcr.org/en/situations/afghanistan, zuletzt aktualisiert am 15.04.2022, zuletzt geprüft am 06.05.2022.
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