Lesezeit: Minuten
Oktober
2024

Wenn Armut krank macht: Ungleichheit und Gesundheit

Die meisten Krankheiten entstehen nicht nur durch Bakterien oder Viren. Ob wir krank werden, hängt auch davon ab, wie viel wir verdienen, wie wir wohnen und ob wir Diskriminierung erfahren. Gesundheit ist eine Frage der Gerechtigkeit – und der Einfluss sozialer Ungleichheit wird oft unterschätzt.

Was bedeutet Gesundheit?

Ein Kreis mit vier Symbolen und einem Pluszeichen in der Mitte, das Gesundheit symbolisiert.
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist Gesundheit mehr als nur die Abwesenheit von Krankheit oder körperlichen Einschränkungen. Gesundheit bedeutet, dass es uns gut geht und umfasst das gesamte Wohlbefinden – ob physisch, psychisch und sozial. Jeder Mensch hat das Grundrecht auf bestmögliche Gesundheit. Das Recht auf Gesundheit verpflichtet staatliche Institutionen, sich aktiv für die Verbesserung der Gesundheitsbedingungen einzusetzen und die Ungleichheiten zwischen reichen und armen Menschen zu bekämpfen. Das bedeutet, dass jeder Zugang zu den nötigen Ressourcen und Dienstleistungen haben sollte, um ein gesundes Leben führen zu können.

Die ungerechte Realität

Die Realität sieht anders aus: Es ist längst nachgewiesen, dass soziale Ungleichheiten einen unmittelbaren Einfluss auf die Gesundheit haben. Daher gilt die Vorstellung, dass eine Krankheit immer eine klare Ursache hat, nur für wenige, meist ansteckende Krankheiten. Die meisten modernen Krankheiten entstehen durch das Zusammenspiel auch von von sozialen und wirtschaftlichen Faktoren. Dabei meinen wir folgende Punkte:

Ungleicher Zugang zur Gesundheitsversorgung

Ungleichheiten im Gesundheitssystem sind ein verbreitetes Problem, das sich auf die Gesundheitsversorgung verschiedener (benachteiligter) Bevölkerungsgruppen besonders negativ auswirkt. Diese Ungleichheiten zeigen sich in Form von Unterschieden beim Zugang zu medizinischer Versorgung, in der Qualität der erbrachten Leistungen sowie bei den gesundheitlichen Ergebnissen. Die Gründe für diese Unterschiede sind vielfältig und reichen von sozioökonomischen Faktoren über regionale Unterschiede bis hin zu Diskriminierung aufgrund von Geschlecht, ethnischer Herkunft oder sozialem Status.

Gesundheit: Eine Frage des Geldes?

Menschen, die eine Treppe hochlaufen hin zu einem Plussymbol, das Gesundheit symbolisiert.
Ein wichtiger Faktor ist der sozioökonomische Status. Studien zeigen, dass Menschen mit niedrigem Einkommen häufiger unter schlechter Gesundheit leiden und einen schlechteren Zugang zu medizinischer Versorgung haben. Dies liegt unter anderem daran, dass sie in manchen Fällen nicht krankenversichert sind oder über keine Gesundheitskarte verfügen und sich spezielle Behandlungen oft nicht leisten können. Dies ist bei einigen Personengruppen der Fall:

Wer ist besonders betroffen?

  1. Erstens betrifft es Menschen, die über keinen Aufenthaltstitel verfügen und Personen, die aufgrund von Wohnungslosigkeit und daraus entstehenden Problemen ihre Papiere verloren haben.
     
  2. Eine zweite Gruppe sind neue Zugewanderte. Diese Personen haben zwar Zugang zur Gesundheitsversorgung aber sehr begrenzt. Das heißt, sie sind ca. in den ersten 2 Jahren darauf angewiesen, für jedes Quartal einen sogenannten Behandlungsschein bei zuständiger Behörde zu erhalten. Sie haben zwar einen Anspruch auf eine notwendige Behandlung, aber sie sind massiv eingeschränkt bei ihrer Ärztewahl.
     
  3. Die dritte Personengruppe betrifft die meisten Menschen, nämlich diejenigen, die die nur gesetzlich krankenversichert sind. Diese Personengruppe hat im Vergleich zu privatversicherten Menschen deutliche Nachteile. Dies ist sichtbar, wenn es beispielweise um eine Terminvereinbarung bei Hautärzten oder Psychologen geht. Die gesetzlich krankenversicherte Gruppe muss lange auf einen solchen Termin warten, da die privatversicherte Person mehr Profit mitbringt.
Drei Symbole für Ernährung, Arbeitsbedingungen und Einkommen, die an ein Symbol, das Gesundheit symbolisiert, andocken.
Es ist mittlerweile gut belegt, dass sich soziale Ungleichheiten in den Lebensbedingungen und Chancen auf soziale Teilhabe deutlich in der Gesundheit und Lebenserwartung widerspiegeln. Jährlich weisen zahlreiche internationale und lokale Studien darauf hin, dass Personen mit niedrigem sozioökonomischem Status – oft gemessen an Bildung, Beruf und Einkommen – im Vergleich zu Menschen aus höheren Statusgruppen häufiger gesundheitlichen Belastungen und Risiken ausgesetzt sind, etwa am Arbeitsplatz, in der Wohnsituation oder im familiären und sozialen Umfeld. Die Zahlen zeigen dies z. B. bei Lungenerkrankungen deutlich: im Jahr 2022 waren 7,86 % der am stärksten sozioökonomisch benachteiligten Menschen betroffen, während es bei den besser gestellten Personen 5,91 % waren.

“Selbst schuld, wenn du dich nicht um dich kümmerst”?

In unserer Gesellschaft werden Probleme häufig individualisiert – d.h. der einzelne Mensch wird für seinen Erfolg oder Versagen verantwortlich gemacht. Dabei werden die sozialen und gesellschaftlichen Faktoren, die Gesundheit und Verhalten beeinflussen, oft ausgeblendet. In diesem Fall bedeutet das: Wie gesund man ist, ist nicht allein eine Frage davon, wie gut man sich als Einzelner um sich selbst kümmert. Natürlich stehen wir selbst in der Verantwortung uns um uns selbst zu kümmern. Aber wenn schlechtere Chancen auf Bildung und ein gutes Einkommen systematisch zu schlechter Gesundheit und Krankheit führen, ist das ein Problem, das über individuelle Verantwortung hinausgeht. Auch die gesellschaftlichen Strukturen müssen kritisiert und verändert werden.

Ein Symbol, das einen Menschen symbolisiert, ein Symbol das mehrere Menschen zeigt, dazwischen Fragezeichen.
Soziale Mobilität, also die Möglichkeit, den eigenen Lebensstandard zu verbessern, gelingt nur dann, wenn alle Menschen - unabhängig von ihrem sozialen Status - Zugang zu wichtigen Institutionen wie Bildung und sicheren Arbeitsplätzen haben.

Also: Was tun gegen diese Ungleichheiten?

Um die soziale Ungerechtigkeit im deutschen Gesundheitssystem zu beseitigen, muss sich einiges ändern. Ein wichtiger Schritt wäre, die soziale Ungleichheit durch gezielte politische Maßnahmen zu verringern. Beispiele dafür wären:

  • die Verbesserung des Zugangs zu Bildungsangeboten und Weiterbildung
  • die Förderung eines Arbeitsmarktes, der faire Arbeitsbedingungen und angemessene Löhne bietet. Dies könnte durch gesetzliche Maßnahmen wie eine Erhöhung des Mindestlohns und bessere Sozialleistungen erreicht werden.
  • der Ausbau von Arztpraxen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen in benachteiligten Regionen – z.B. auf dem Land oder in ärmeren Stadtteilen 
  • Aufklärungskampagnen und Programme, die über Gesundheit informieren und sich speziell an sozial benachteiligte Gruppen richten

Für eine bessere Gesundheitsversorgung kämpfen

Doch nicht nur politische Parteien oder Regierungen können etwas erreichen. Eine bessere Gesundheitsversorgung muss auch auf der Straße erkämpft werden: Zum Beispiel fordern die Streiks des Gesundheitspersonals in den letzten Jahren bessere Arbeitsbedingungen und damit auch eine bessere Versorgung der Patient*innen.

Eine umfassende Strategie, die soziale Ungleichheiten bekämpft und den Zugang zur Gesundheitsversorgung für alle Bürger*innen sicherstellt, kann zur Verbesserung der gesundheitlichen Chancengleichheit in Deutschland beitragen.

Nutzen und Teilen

Ein Beitrag von Bashir Mirzaii. Online Redaktion von Alina Kopp, Pia Monroy Rodriguez.

Dieser Beitrag wird unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz  (externer Link, öffnet neues Fenster)CC BY-NC-SA 4.0 (externer Link, öffnet neues Fenster)  (externer Link, öffnet neues Fenster)veröffentlicht. Teile, nutze oder adaptiere diesen Beitrag für deine Bildungsarbeit. Vergiss nicht es weiter unter den gleichen Bedingungen zu veröffentlichen und dabei LINX und die Autor*innen zu erwähnen.

Das könnte Dich auch noch interessieren