Die kurdische Frage und der demokratische Konföderalismus

Die Kurdinnen und Kurden – eine Gemeinschaft, verteilt auf vier Länder. Seit der Staatsgründung von Syrien, Türkei, Irak und Iran kämpft die kurdische Freiheitsbewegung für Demokratie und Selbstbestimmung. Wir beleuchten die Hintergründe der kurdischen Frage, die Bedeutung Kurdistans, die Rolle Deutschlands und den demokratischen Konföderalismus als Lösungsansatz – sowie dessen Umsetzung in der demokratischen Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien, auch Rojava genannt.

 

Die kurdische Frage und der demokratische Konföderalismus

Vom großen Verlierer der Neuaufteilung des Nahen und Mittleren Ostens nach dem Ersten Weltkrieg hin zu einem Hoffnungsträger für einen demokratischen Wandel in der gesamten Region – so könnte die Geschichte der Kurd*innen in den letzten rund 100 Jahren auf den Punkt gebracht werden. Mit der Revolution von Rojava wurde der demokratische Konföderalismus als Gesellschaftsmodell in der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien etabliert. Wir bieten einen Einstieg in die kurdische Frage, in die kurdische Freiheitsbewegung und den demokratischen Konföderalismus als Lösungsansatz für Kurdistan und die Krise in der Region.

Verschiedene Perspektiven

In der kurdischen Frage gibt es vielseitige Perspektiven, Ereignisse, Akteur*innen, Erfahrungen und Ansätze. Die Realität in der Region und ihre Geschichte ist komplex. Mit dem Fokus auf den demokratischen Konföderalismus und die kurdische Freiheitsbewegung werfen wir einen entscheidenden, aber spezifischen Blick auf die kurdische Frage. Am Ende des Beitrags gibt es eine Ressourcensammlung, die zur Beschäftigung mit weiteren Blickwinkeln einladen soll.

Wer sind die Kurdinnen und Kurden?

Kurdinnen mit traditioneller Kleidung und Musikinstrumenten.
Die kurdische Bevölkerung ist zunächst einmal eine staatenlose Gesellschaft. Sie lebt aufgeteilt in vier Staaten: der Türkei, dem Iran, dem Irak und Syrien. Die Kurd*innen sind vielfältig - sie verfügen über unterschiedliche Religionen und sprechen verschiedene Dialekte des Kurdischen. Zu den kurdischen Sprachen zählen Kurmancî, Soranî und Kirmanckî (auch Dimilkî oder Zazakî). In der religiösen Vielfalt der Kurd*innen gibt es u.a. Muslim*innen, Jüd*innen, Alevit*innen und Êzîd*innen (auch Jesid*innen). Zudem teilen christliche Volksgruppen wie die Armenier*innen, Aramäer*innen, Assyrer*innen oder Chaldäer*innen dieselben Heimatgebiete wie die Kurd*innen.

Was ist die kurdische Frage und wie kann man sie lösen?

Kurdische Siedlungsgebiete in der Türkei, Iran, Irak und Syrien.
Die Siedlungsgebiete der Kurd*innen wurden nach dem Ersten Weltkrieg durch nationalstaatliche Grenzen in vier Gebiete aufgeteilt. Die Machthaber*innen in den jeweiligen Staaten haben die Kurd*innen in den letzten hundert Jahren immer wieder verleugnet, unterdrückt und verfolgt. Diese Verweigerung des Selbstbestimmungsrechts für die Kurd*innen hat über Jahrzehnte hinweg zu Unterdrückung und Verfolgung geführt, aber auch zu Widerstand und gesellschaftlichen Umbrüchen.  

Es gibt verschiedene Lösungsansätze für die kurdische Frage: zahlreiche kurdische Organisationen betrachten den Aufbau eines unabhängigen kurdischen Staates als Antwort auf diese Situation. Die kurdische Freiheitsbewegung unter der Führung der Arbeiterpartei Kurdistans tritt stattdessen für ein alternatives, anti-staatliches und basisdemokratisches Gesellschaftskonzept ein: den demokratischen Konföderalismus. Dieser wurde von Abdullah Öcalan entwickelt und ist das Gesellschaftsmodell, das der Selbstverwaltung in Nord- und Ostsyrien – auf kurdisch Rojava genannt – zugrunde liegt. Das Konzept ist heute auch für viele linke Bewegungen weltweit in ihrem Kampf um eine gerechte und solidarische Gesellschaft eine Inspirationsquelle.

2. Was ist Kurdistan und wo liegt es?

Kurdistan wird als geografischer Raum verstanden, der die historischen wie gegenwärtigen Siedlungsgebiete der Kurd*innen darstellt. Er zeichnet sich durch eine große Vielfalt an Sprachen, Kulturen, natürlichen Umgebungen und religiösen Überzeugungen aus, während die Kurd*innen sich trotz dieser Diversität als ein Volk verstehen. Diese Einheit und Vielfalt sind über Jahrtausende gewachsen und begründen das Bestreben der Kurd*innen nach einem vereinten, selbstverwalteten Heimatland. Einige Staaten, in deren Gebiet diese Region liegt, lehnen die Bezeichnung Kurdistan ab oder verbieten ihre Verwendung. Im Gegensatz dazu wird der Begriff von weiten Teilen der kurdischen Bevölkerung unterstützt und aktiv eingefordert.

Berge in Kurdistan
Kurdistan gilt seit Jahrtausenden als Wiege der Zivilisation. Strategisch im Herzen des Mittleren Ostens gelegen, war es vor etwa 15.000 Jahren Zentrum der neolithischen Revolution, wo grundlegende Entwicklungen wie Siedlungen und Landwirtschaft ihren Ursprung fanden. Von den Toros-Zagros-Bergen aus verbreitete sich kulturelles Wissen, das das Leben in großen Gemeinschaften ermöglichte. In Mesopotamien entstanden die ersten Staaten, die in Konflikt mit den selbstverwalteten ländlichen Gemeinschaften standen. Diese Spannungen führten dazu, dass Kurdistan ein Schauplatz antiker und moderner Machtkämpfe wurde. // Berge in Mergasor und der Hakkâri Provinz // Khoshhat, CC BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

Wo ist Kurdistan?

In Kurdistan tobt ein brutaler Krieg

Absperrzäune dahinter Hände, die zum Himmel greifen und Flugzeuge.
Abseits der (medialen) Aufmerksamkeit entflammt immer wieder in allen Teilen Kurdistans ein brutaler Krieg: Was in der Öffentlichkeit oft nur als Terrorismusproblem dargestellt und wahrgenommen wird, ist in Wirklichkeit ein Krieg gegen die Zivilbevölkerung. Es ist ein schmutziger Krieg: Ständige Militäroperationen, der Einsatz chemischer Waffen, Luftangriffe auf Zivilisten*innen und Vertreibungen aus Dörfern sind nur einige Aspekte dieses Konflikts. Auf der anderen Seite stehen die Inhaftierungen von politischen Aktivist*innen, gewählten Bürgermeister*innen und Abgeordneten, Journalist*innen, Anwält*innen, Frauenrechtlerinnen, Studierenden, Schüler*innen und Kindern.

Unterdrückung, Krieg und Verfolgung in allen kurdischen Gebieten

  • In der Türkei und in Bakûr geht die Zahl der inhaftierten Kurd*innen in die Tausende. Tote, Verletzte und Massenverhaftungen durch die „Sicherheitskräfte“ sind hier an der Tagesordnung.

  • Im Iran und Rojhilat setzt das Regime auf eine rigide Unterdrückungspolitik gegenüber der kurdischen Bevölkerung. Unzählige kurdische Aktivist*innen befinden sich in Haft, viele von ihnen wurden zum Tode verurteilt und müssen mit ihrer Hinrichtung rechnen.

  • Die Kurd*innen in Başûr leiden nicht nur unter der allgemeinen Instabilität im Irak, sie sind auch den Angriffen der Nachbarstaaten Iran und Türkei ausgesetzt. Eine weitere Gefahr stellt der sogenannte Islamische Staat (IS) dar, der weiterhin in der Region im Untergrund agiert.

  • In Rojava hingegen ist das demokratische Selbstverwaltungsmodell den permanenten Angriffen der Türkei und von der Türkei gelenkter Dschihadistengruppen ausgesetzt. Ihr Schicksal ist nach dem Sturz des Assad-Regimes völlig im Unklaren.

In Kurdistan entsteht ein basisdemokratisches System

Viele Karten zum Abstimmen bei Wahlen dahinter ein Megaphon.
Im Kontext der globalen kapitalistischen Krise steht der Mittlere Osten seit fast drei Jahrzehnten im Zentrum der Aufmerksamkeit - und damit auch Kurdistan. Globale Mächte wie die USA und Russland versuchen, den Nahen und Mittleren Osten im Sinne ihrer kapitalistischen Interessen neu zu gestalten. Die Staaten der Region versuchen politisch wie militärisch ihren Machteinfluss zu erhalten oder auszuweiten. Die herrschenden Nationalstaaten in der Region hingegen versuchen ihre Herrschaftsstellung zu erhalten, auch wenn sie dabei immer wieder untereinander oder mit den globalen Mächten in Konflikt geraten.

Die kurdische Freiheitsbewegung leistet nicht nur täglich Widerstand gegen Repression und Unterdrückung, sie hat auch Wege gefunden, sich neu zu organisieren, um ihrer Forderungen nach einem menschenwürdigen Leben - ohne Krieg und Unterdrückung - Nachdruck zu verleihen. Sie fordert ein Ende des Krieges, eine gerechte Lösung der kurdischen Frage, die Freilassung Abdullah Öcalans und die Umsetzung der demokratischen Autonomie in allen vier Teilen Kurdistans. Ihr Erfolg könnte weitreichende Auswirkungen auf die demokratischen Kräfte weltweit haben.

Drei kurdische Flaggen

3. Geschichte der kurdischen Frage

Was sind die Ursprünge der kurdischen Frage? Was waren die Anfänge der kurdischen Freiheitsbewegung? Um dies zu verstehen, werfen wir einen Blick auf wichtige Ereignisse der letzten 100 Jahre.

4. Die Rolle Deutschlands in der kurdischen Frage

Was hat Deutschland mit der kurdischen Frage zu tun? Zunächst leben in Deutschland schätzungsweise 1,3 Millionen Kurd*innen und sind damit eine der größten migrantischen Gruppen in Deutschland. Viele sind nach Deutschland geflohen oder migriert, weil sie in ihrer Heimat massiver Unterdrückung, Vertreibung und genozidalen Angriffen ausgesetzt sind. Verantwortlich dafür ist u.a. die Türkei, deren politische Führung bereits seit der Staatsgründung Kurd*innen in ihrem Staatsgebiet dauerhaft verfolgt. Gleichzeitig ist die Türkei ein wichtiger militärischer, wirtschaftlicher und politischer Partner für die Bundesrepublik Deutschland.

Deutsch-türkische Beziehungen

Diese strategische Beziehung wirft einen Schatten auf die Position Deutschlands: Einerseits betont die Bundesrepublik regelmäßig ihr Eintreten für Menschenrechte, andererseits unterstützt sie durch Rüstungsexporte und wirtschaftliche Kooperation die repressiven Maßnahmen der Türkei gegenüber der kurdischen Bevölkerung. Die deutsch-türkischen Beziehungen sind daher untrennbar mit der kurdischen Frage verwoben – und sie verdeutlichen die Widersprüche deutscher Außenpolitik.

FAQ deutsch-türkische Beziehungen

150 Jahre deutsch-türkische "Waffenbrüderschaft"

Ein Panzer dahinter die Flaggen von Türkei und Deutschland und die Umrisse der beiden Länder.
Die militärische Zusammenarbeit von Deutschland und der Türkei geht auf eine lange Geschichte zurück, die im Osmanischen Reich begann. Sie ist von enger Kooperation während des Nationalsozialismus geprägt, setzt sich durch die Gemeinsamkeiten Deutschlands und der Türkei im Kalten Krieg fort und dauert mit der Unterstützung Deutschlands für die türkische Waffenindustrie bis heute an.

Wer also verstehen will, warum die deutsch-türkischen Beziehungen trotz zahlreicher politischer Krisen weitgehend stabil geblieben sind, sollte einen Blick auf die über 150 Jahre alte Geschichte der „deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft“ werfen.

Die Kriminalisierung der kurdischen Bewegung in Deutschland: Das PKK-Verbot

Während die meisten Migrant*innen ihre kulturelle Identität – zum Beispiel durch Vereine, Medien oder Kultureinrichtungen – frei ausleben können, stehen kurdische politische, kulturelle und soziale Aktivitäten häufig unter dem pauschalen Verdacht eines „PKK-Bezugs“. Dies führt zu ständiger Überwachung, Diffamierung und Kriminalisierung nahezu aller kurdischen Aktivitäten in Deutschland. Dadurch werden wiederholt Grundrechte wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit erheblich eingeschränkt.

Hintergrund

Die Folgen jahrzehntelanger Repression

Menschen, die sich an den Armen halten, Polizei und Überwachungskameras.
Die politischen, kulturellen, physischen und psychischen Folgen der jahrzehntelangen Repression gegen Kurdinnen und Kurden sind hier nicht annähernd beschreibbar. Sie betreffen inzwischen Generationen, die nichts anderes kennen. Diese Zeit ist geprägt von tausenden Gerichtsverfahren, hunderten Verhaftungen, unzähligen Razzien in kurdischen Vereinen und Privatwohnungen, verweigerten Einbürgerungen, Abschiebungsandrohungen, Asylwiderrufen und Anwerbeversuchen durch den Verfassungsschutz. Damit wird nicht nur systematisch versucht, gesellschaftliche Teilhabe unmöglich zu machen, sondern auch dem türkischen Staat durch die Fortsetzung der Repressionspraxis der Rücken gestärkt.

Die Aufhebung des PKK Verbots - eine Voraussetzung für Dialog

Um die kurdische Frage lösen zu können, braucht es einen Demokratisierungsprozess im Sinne einer Anerkennung des Selbstbestimmungsrechtes des kurdischen Volkes. Um diesen voranzutreiben, ist es unabdingbar den Dialogprozess mit den Konfliktparteien zu fördern. Die Aufhebung des PKK-Verbots spielt dabei eine entscheidende Rolle. Folgende Argumente sprechen für die Aufhebung des Verbots:

Argumente gegen das PKK-Verbot

Bilder vom kurdischen Widerstand

5. Antworten auf die kurdische Frage: Rojava und der demokratische Konföderalismus

Ein kurdischer Staat als Lösung?

Der Vertrag von Lausanne 1923, der die Kurd*innen von der Gründung eines eigenen Staates ausschloss, markierte einen Wendepunkt und wird vielfach als Ursache ihrer anhaltenden Tragödie betrachtet. Daraus ergab sich für viele die Überzeugung, dass die Schaffung eines eigenen Staates notwendig sei, um sich aus der Unterdrückung durch die Türkei, den Iran, den Irak und Syrien zu befreien. Der Ausschluss von staatlicher Souveränität nach dem Vertrag von Lausanne legte für viele Kurd*innen die Vorstellung eines eigenen Staates als mögliche Lösung nahe. Doch nicht alle Kurd*innen kämpften für die Gründung eines eigenen Staates; Vielmehr entwickelten sich im Laufe der Zeit auch alternative Strategien zur Selbstbestimmung und Emanzipation.

Ein Lösungsansatz jenseits von Nationalstaaten

Berge und dahinter Symbole von Menschen mit Gedanken und Häusern.
Die kurdische Freiheitsbewegung unter der Führung von Abdullah Öcalan bietet einen bemerkenswerten und heute besonders relevanten Ansatz jenseits der Staatengründung. Sie hat diese lange Zeit als selbstverständlich geltende Lösungsformel eines eigenen Nationalstaates radikal infrage gestellt und mit der Perspektive des Demokratischen Konföderalismus eine eigenständige Antwort formuliert. Danach ist der Nationalstaat nicht die Lösung, sondern die Wurzel des Problems. Denn dieses Konstrukt wurde nach dem Ersten Weltkrieg durch die westlichen Siegermächte in die Region des Mittleren Ostens übertragen und hat nicht nur für die Kurd*innen Schmerz und Leid gebracht. Der heutige Zustand von Staaten wie dem Irak, Syrien oder dem Libanon ist symptomatisch dafür.

Rojava und der demokratische Konföderalismus als Alternative

Nicht nur Staatenlosigkeit, sondern auch Staatsgründungen sind daher Gründe für die tiefgreifenden gesellschaftlichen Krisen der Region. Am Beispiel der Revolution in Rojava wird deutlich, wie die praktische Umsetzung dieses alternativen Gesellschaftsmodells aussehen kann. Die folgenden Säulen der Revolution in Rojava finden sich im Gesellschaftsvertrag der Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyriens (Abkürzt: DAANES). 

Die Revolution von Rojava – eine einmalige historische Chance

Der Weg zur Umsetzung dieses Modells erfordert zweifellos einen langen Atem. Eine Revolution und die Transformation einer Gesellschaft vollziehen sich nie ohne Widersprüche und Schwierigkeiten. Und das Vakuum, das nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs in Nordsyrien entstand und die Revolution in Rojava ermöglichte, war eine wohl einmalige historische Chance. Hier traten 2012 zuvor im Untergrund organisierte gesellschaftliche Strukturen an die Öffentlichkeit und verdrängten die bestehenden staatlichen Strukturen. Diese Möglichkeit bot sich auch deshalb, weil der syrische Zentralstaat durch den Bürgerkrieg extrem geschwächt war.

Mehr zum Gesellschaftsvertrag in Rojava

Der Gesellschaftsvertrag von Rojava
Ein Mensch schwenkt die Flagge Rojavas in gelb, rot, grün.

Lösung der kurdischen Frage in Nordkurdistan

Ganz anders ist die Situation beispielsweise in Nordkurdistan und der Türkei. Auch hier setzt die Gesellschaft auf Selbstorganisation statt auf staatliche Bevormundung. Doch die türkische Regierung greift mit ihrem Repressionsapparat die Gesellschaft permanent an und versucht, die Bestrebungen zum Aufbau eines alternativen Systems in den kurdischen Siedlungsgebieten vehement zu bekämpfen.

Aber der anhaltende Konflikt setzt die Regierung in Ankara massiv unter Druck, auch weil kurdische Akteur*innen gemeinsam mit anderen Teilen der Gesellschaft seit Jahren eine starke Opposition aufbauen, wie sie es gegenwärtig unter dem Dach der DEM-Partei tun. Letztlich ist es der gesellschaftliche Widerstand gegen die Politik des türkischen Staates, der auch bei hartgesottenen Nationalisten im Regierungsapparat die Erkenntnis reifen lässt, dass der Weg zur Lösung der kurdischen Frage über politische Verhandlungen mit dem Urheber dieses Konzepts, also mit Abdullah Öcalan, führt. Trotz mehr als 25 Jahren Haft gilt er weiterhin als der wohl wichtigste politische Repräsentant der Kurd*innen über Nordkurdistan hinaus.

Auch wenn die Zeichen derzeit eher auf Eskalation als auf Friedensgespräche stehen, hat Öcalan in der Vergangenheit mit der „Roadmap für Verhandlungen“ ein Dokument vorgelegt, mit dem er den Weg zu einem dauerhaften Frieden, zur Lösung der kurdischen Frage sowie zur Demokratisierung der Türkei und der gesamten Region aufgezeigt hat.

Roadmap für Verhandlungen

Die Existenz Rojavas wird massiv bedroht

So bemerkenswert die Strukturen Rojavas sind, so gefährdet sind sie auch. Nach 2014 stellte der sogenannte Islamische Staat (IS) die größte Gefahr für Rojava dar, als er einen Großangriff auf Kobanê startete. Der IS scheiterte und die Selbstverteidigungskräfte der Revolution konnten in der Folge zahlreiche Gebiete befreien, die zuvor unter der Kontrolle der Islamisten standen. Auch in diesen Gebieten wird seitdem der demokratische Konföderalismus praktiziert. Seither stellt der türkische Staat die größte Bedrohung für die Selbstverwaltung dar. In den Jahren 2018 und 2019 intervenierte die türkische Armee zweimal in Nordsyrien und hält seitdem Teile der Region völkerrechtswidrig besetzt. Der tägliche Terror durch türkische Drohnenangriffe gegen Vertreter*innen der Selbstverwaltung und Zivilist*innen ist ebenfalls Teil der permanenten Bedrohungslage. Nach dem Sturz des Assad-Regimes Anfang Dezember 2024 und der Machtübernahme der islamistischen Organisation Hayat Tahrir al-Sham setzen die Türkei und ihre dschihadistischen Partner der Syrischen Nationalarmee auf eine völlige Eskalation des Krieges in Nordsyrien. Die Revolution von Rojava ist deshalb mittlerweile nicht nur unter Beschuss, sie ist in großer Gefahr.

6. Was tun?

Auf Demos gehen, Kontakte zu kurdischen Strukturen knüpfen, sich organisieren, spenden oder einfach das eigene Umfeld für das Thema sensibilisieren...

  • Es gibt viele Möglichkeiten, sich für eine gerechte Lösung der kurdischen Frage einzusetzen. Denn in Deutschland tragen wir mit der Kriminalisierung der Kurd*innen und der Unterstützung der Türkei durch die Bundesregierung eine besondere Verantwortung.
  • Gleichzeitig können wir von der kurdischen Freiheitsbewegung und insbesondere ihrem Konzept des demokratischen Konföderalismus  einiges lernen. Wie kann eine alternative und gerechte Gesellschaftsordnung aussehen? Wie müssen wir uns organisieren und wie können wir unsere Mitmenschen mitnehmen?

Der Erfahrungsschatz der kurdischen Freiheitsbewegung bietet hierfür zahlreiche Hilfestellungen. Hier findet ihr eine Auswahl an Bildungsressourcen, Links und Informationen, die bei der Weiterbeschäftigung mit der kurdischen Frage hilfreich sind.

Bei Fragen melde dich gerne bei Civaka Azad (Mail: info​(at)​civaka-azad.org). Wir sind das kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit und sind eine Anlaufstelle für Interessierte an der kurdischen Frage.

Zur Webseite von Civaka Azad e.V.

Weiterführende Informationen zur kurdischen Frage

Nutzen und Teilen!

Beitrag von Civaka Azad – Kurdisches Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit (externer Link, öffnet neues Fenster). Online Redaktion von Pia Monroy Rodriguez, Alina Kopp. Die Texte und einige Bilder werden unter den Bedingungen der Creative Commons Lizenz CC BY 4.0 (externer Link, öffnet neues Fenster)veröffentlicht. Teile, nutze oder adaptiere es für deine Bildungsarbeit. Vergiss nicht es weiter unter den gleichen Bedingungen zu veröffentlichen und dabei LINX und die Autor*innen zu erwähnen!

Das könnte Dich auch noch interessieren