Die deutsche Kolonialherrschaft in Namibia führte zum ersten Völkermord des 20. Jahrhunderts. Betrug, Verfolgung und Gewalt waren die Grundlage der deutschen Siedlungspolitik. Sie legten den Grundstein für die heutige Ungleichheit und strukturelle Diskriminierung der Nachfahr*innen der OvaHerero und Nama.
1884 errichtete das Deutsche Reich im heutigen Namibia eine Kolonie: Deutsch-Südwestafrika. Von Beginn an verfolgte die deutsche Kolonialherrschaft die Entrechtung der einheimischen Völker OvaHerero und Nama. Die Repressionen gipfelten im ersten Genozid des 20. Jahrhunderts von 1904 bis 1908. Seit dieser Zeit kämpfen Nachfahr*innen der OvaHerero und Nama für die Anerkennung der Ereignisse als Völkermord, für Entschädigungen und für ihre Beteiligung an den Verhandlungen darüber. Offizielle Verhandlungen dazu wurden erst vor knapp 10 Jahren begonnen. Eine vollständige und umfassende Anerkennung des Völkermordes an den OvaHerero und Nama ist immer noch nicht in Sicht - von der Aufarbeitung der eigenen kolonialen Vergangenheit in Deutschland ganz zu schweigen.
Anhand des Zeitstrahls werden die zentralen Ereignisse, aber auch die langen Lücken der Aufarbeitung sichtbar. Es handelt sich um eine Geschichte des Widerstands, gegen koloniale Verbrechen, aber auch gegen den heutigen Umgang mit der gemeinsamen Kolonialgeschichte.
„Wie wir während der Kolonialzeit gesehen wurden, so werden wir auch heute noch gesehen…“, - Sima Luipert, Sekretärin für internationale Angelegenheiten der Nama Traditional Leaders Association (NTLA) in Namibia.
Das Bewusstsein für die komplexen Folgen des Kolonialismus wächst nur sehr langsam. In politischen, rechtlichen und sozialen Debatten geht es selten um die Aufarbeitung der generationsübergreifenden Ungerechtigkeit gegenüber den ehemals Kolonisierten – geschweige denn um Lösungsansätze, um die fortbestehenden Ungleichheiten zu durchbrechen. Auch viele der wesentlichen Grundannahmen des Völkerrechts, wie wir sie heute noch kennen und anwenden, entstanden zur Zeit des Kolonialismus. Damals etablierte strukturelle Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse bleiben teilweise noch heute durch Recht legitimiert.
Was genau steckt dahinter? Der Fachbegriff lautet Intertemporalität und heißt so viel wie, ein Sachverhalt wird nicht nach heutigem Recht, sondern auf Basis der damals (also zur Kolonialzeit) gültigen Gesetze, die nach heutigem Maßstab zutiefst rassistisch und diskriminierend sind, beurteilt. OvaHerero und Nama galten nicht als zivilisierte Nationen und ihre Bevölkerungen standen zu dieser Zeit nicht unter dem Schutz des humanitären Völkerrechts. Das heißt Gräueltaten an ihnen waren zum damaligen Zeitpunkt rechtlich nicht verboten, weil sie schlichtweg nicht als gleichwertige Menschen anerkannt wurden. Auf dieser rassistischen und menschenverachtenden rechtlichen Grundlage basiert die heutige Argumentation der deutschen Regierung.
Das folgende Video, Teil der dreiteiligen Filmreihe 'Decolonize Law', beschreibt aus der Perspektive von Nachfahr*innen und Rechtsexpert*innen die bis heute andauernden Folgen des deutschen Kolonialismus und des Völkermordes an den OvaHerero und Nama.
Das zweite Video, ein Ausschnitt aus dem letzten Teil der Filmreihe, zeigt warum OvaHerero und Nama nach wie vor um ihre gleichberechtigte Beteiligung in den Verhandlungen sowie um Anerkennung und Aufarbeitung gegenüber der namibischen und der deutschen Regierung kämpfen. "Anything without us is against us“ ("Keine Entscheidungen über uns – ohne uns") ist bis heute Kernbestandteil ihrer Forderungen.
Ein Beitrag von Britta Becker. Online Redaktion von Fabian Riess.
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